Madonna Kirche Oberdorf/SO
Kurze Geschichte der Balmer Madonna
Nach dem heutigen Kenntnisstand wurde die Kirche in Balm (von keltisch für «überhängender Berg») wohl tatsächlich bereits in spätrömisch-frühchristlicher Zeit zu Beginn des 6. Jahrhunderts erbaut auf Erlaubnis des Bischofs Protasius von Aventicum (Avenches war damals noch Bischofssitz, später Bistum Lausanne). Die im Kircheninnern erwähnte Jahreszahl 800 und der Bezug zu Karl dem Grossen ist eine spätere historische Zuschreibung. Der Kirchenbau geht auf ein älteres keltisch-römisches Heiligtum zurück. Vermutlich wurde eine Göttin oder Nymphe verehrt, der heilende Kräfte zugesprochen wurden, analog den «Lourdes-Grotten», die einen ähnlichen vorchristlichen Ursprung haben. Dafür sprechen auch die künstlich in den Felshang gehauenen, bis heute sichtbaren Nischen, die für solche Heiligtümer typisch sind. Aus der frühchristlichen Zeit vor 1000 stammt auch noch der Taufstein aus Muschelkalk, der heute im Eingangsbereich der Kirche steht und bei archäologischen Grabungen im Boden der Kirche gefunden wurde, zusammen mit anderen historischen Zeugnissen. Die Kirche war von Anfang an eine Marienkirche. Die vorchristliche Frauenfigur und die frühchristliche Madonna sind nicht mehr erhalten. Die zum aktuellen Zeitpunkt im linken vorderen Seitenaltar der Kirche in Oberdorf SO stehende Madonna stammt aus dem 15. Jahrhundert und ist eine der ältesten bis heute erhaltenen Steinskulpturen im Kanton Solothurn. Aus historischen Unterlagen ist bekannt, dass im 15. Jahrhundert Balm zu viel Geld kam, weil viele Pilger zu dem Marienheiligtum gereist sind. In dieser Zeit waren sogar die Steuereinnahmen aus dem kleinen Balm dank des Aufschwungs höher als jene aus dem um einiges grösseren Messen. Aus dieser Blütezeit des 15. und frühen 16. Jahrhunderts stammen auch die bis heute erhaltenen Kirchenglocken. Kurz vor der Reformation, die Balm im Jahr 1530 erreichte, wurde die Marienkirche zu Balm 1522 in eine Kirche der Heiligen Dreifaltigkeit umgeweiht, obwohl die Dreifaltigkeit hier nie verehrt wurde. Kurz vor der Reformation verschwand auch die Balmer Madonna – je nach Lesart wurde sie gerettet oder gestohlen – und tauchte an ihrem heutigen Standort in Oberdorf SO wieder auf. Im den Herzen lebte die Marienverehrung in Balm noch lange danach weiter, so blieb das Kirchweihfest an Mariae Verkündigung am 25. März hier bis in die Neuzeit hinein ein Volksfest. Nach den Ausgrabungs- und Restaurierungsarbeiten wurde in den 1960-er Jahren von der Kirchgemeinde Messen aus, die Rückgabe der Balmer Madonna angestrebt. Zwar wurden die ursprünglichen Altäre gemeinsam mit dem gotischen Taufstein, deren Reste man bei der Ausgrabung im Mauerwerk fand, im Zug der Reformation zerstört, doch bemühte man sich bei der Restauration um die Wiederherstellung eines ursprünglicheren Zustands. Die Rückgabe kam nie zustande. Stattdessen erhielt die Kirchengemeinde Messen von Oberdorf eine Gipskopie der Balmer Madonna (ohne Krone) als Geschenk, die ab 1970 bis Februar 2023 in der Kirche Balm stand, analog der Gipskopie, die bis dato im Schlossmuseum in Buchegg zu besichtigen ist. Auf den Gipsabdrücken fehlt die Krone, da die Krone der ursprünglichen Figur an ihrem neuen Standort verloren gegangen ist. Es ist anzunehmen, dass die Balmer Madonna für die Kirche in Oberdorf SO vor der Einführung des heutigen Gnadenbildes einst dort eine grössere Bedeutung genoss als heute, so ziert eine steinerne Nachbildung der Balmer Madonna (mit Krone) das Eingangsprotal der Kirche Oberdorf. Als man dann in Oberdorf beschloss, der alten Madonna eine neue Krone aufzusetzen (eine Kopie jener Kopie der ursprünglichen Krone vom Eingangsportal), passte die neue Krone nicht mehr zu der alten Mutter. Deshalb wurden die Kronen getauscht: Die Figur am Eingangsportal erhielt die neue Krone, die Balmer Madonna im Kircheninnern die ältere und ursprünglichere.
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